Manche belächeln Pen-and-Paper-Runden online und andere schwören seit Jahren darauf. Wie jemand dazu auch steht: Aktuell setzen sich die meisten Spielerinnen wenigstens damit auseinander, während virtuelle Conventions sich ausbreiten. Die Blog-O-Quest von Timberwere im Mai beschäftigt sich deshalb mit den Erfahrungen des Online-Formats. Meine erste Runde online fand vor schon vor einigen Jahren statt, weshalb ich diesen Monat etwas zur Blog-O-Quest beisteuern kann.
Einschub vorweg: Die Diskussion online vs. offline lehne ich ab. Beides bezieht seinen Charme aus unterschiedlichen Vor- und Nachteilen. Lasst den Leuten bitte ihre Vorlieben. Mit jemanden etwas auszuprobieren, mag fein sein. Missionare nerven.
Welche Online-Plattform/en nutzt Du zum Spielen und welche davon ist Dir am liebsten?
Online kamen schon viele Plattformen von Skype bis Roll20 zum Einsatz. In meinen aktuellen Runden reduziert sich die Vielfalt auf Google Hangouts, Roll20 und Discord. Zusammen ist das ein leistungsfähiges Trio. Diese spiegeln in der genannten Reihenfolge meine Favoriten wider.
- Google Hangouts:Den Videochat bevorzuge ich als Kanal wegen der Mimik und Gestik, die ein bisschen „Tischgefühl“ erhält. Hangouts erwies sich bislang am zuverlässigsten. Zusätzlich schätze ich die Schlichtheit und den automatischen Fokus auf die Sprecherin. Mit der Miniaturvorschau der restlichen Gruppe behalte ich dennoch den Überblick. Der Chat ergänzt das schön, während keine überflüssigen Funktionen das Bild überladen. Die Nostalgikerinnen erinnern sich an die Rollenspieltoolbox, mit der das Tool unschlagbar war. Da Hangouts abgeschaltet wird, kann ich es aber nicht langfristig empfehlen.
- Roll20:Als virtueller Spieltisch bietet Roll20 vieles und die Funktionen begeistern mich – soweit ich sie nutze. Mittlerweile kommt es sehr oft zum Einsatz. Trotzdem fühlt sich die Funktionsvielfalt gelegentlich an, als würde man im Batmobil Brötchen holen.
- Discord:In vielen (Online)-Runden organisieren wir uns über Discord. Die Möglichkeit, Server mit unterschiedlichen Kanälen für verschiedene Themen einzurichten, eine App für unterwegs, Uploads von Dateien und die Einbindung des Rollbutlers unterstützen die Gruppen ausgezeichnet. Für das Spiel über einen reinen Audiochat erweist es sich ebenso unproblematisch wie Hangouts für Videochats. Nur beim Videochat kam es bislang häufiger zu Verbindungsproblemen einzelner Spielerinnen als bei Hangouts.
Bonus-Tooltipp: Roll20 bietet die Möglichkeit, auf dem Spieltisch gemeinsam zu zeichnen. Wer es lieber simpel mag, findet in der Aww App ein Whiteboard, das Zusammenarbeit und die wesentlichen Funktionen unterstützt. Wer auf Zusätze verzichten möchte, um zusammenzuarbeiten: Schaut rein.
Welche Features der Online-RPG-Plattformen nutzt Du? (z. B. Würfel, Charakterbögen, Notizen, Tokens, Karten, Bilder, Fog of War, etc.)
Videochat, Audiochat und den Chat für Absprachen nannte ich bereits. Fast alle anderen Funktionen verwende ich daher hauptsächlich mit Roll20. Welche genau? Das unterscheiden sich je nach Runde.
Würfel: Bei Worlds in Peril würfeln wir per Rollbutler auf unserem Discord-Server, während in meiner Montagsrunde für Vagabonds of Dyfed physische Polyeder auf dem Schreibtisch rollen. Für Mazes & Minotaurs wanderten die Würfe vom Tisch nach Roll20. Digitale Würfel erkämpfen sich also ihren Platz.
Charakterbögen: Für meine Freitagsrunde pflegen wir unsere Heldinnen bei Roll20 und DnD Beyond Bögen für Dungeons and Dragons ein, damit die Spielleiterin unsere Werte jederzeit einsehen kann. Allerdings führe ich während des Spiels meine Charakterinnen auf dem Papier. Bei Oneshots biete ich oft und sofern möglich Bögen über Roll20 an, weil ich sie für systemfremde Spielerinnen zugänglicher finde. Per Knopfdruck auf einen Wert direkt eine Probe würfeln zu können, rockt.
Karten/ Fog of War: Karten vermeide ich wo nur möglich sowie am Tisch fast gänzlich. Online setze ich sie als Spielleiter hingegen oft ein, wenn die Umgebung erkundet wird. In diesem Fall decke ich die bekannten Gebiete mir dem Fortschreiten der Gruppe mit einem Fog of War in Roll20 auf. Wenn ich nur Spieler bin, dann ordne ich mich gerne den Bedürfnissen der Spielleiterin unter – wenn sie mich glücklich machen möchte, verzichtet sie auch darauf. Leider funktionieren wir Spielleiterinnen nicht so. Auf zu Tokens…
Tokens: Um die Position der Gruppe zu markieren, setze ich auf Marker – also einen für die alle Figuren. Individuelle Bilder kommen eher in möglichen Kampfsituationen zum Einsatz. In der Regel leite ich diese Runden aber nicht selbst. Damit kann ich leben. Die besten Kämpfe spielte ich bislang aber ohne Battlemap.

Diese drei Tokens habe ich für meine Rollenspielrunde, Dungeons & Dragons, für den Einsatz in Roll20 gestaltet.
Notizen: Dafür nutze ich Rollenspielplattformen selten. Eine Runde verwaltet Protokolle und Hintergrundinformationen per Microsoft Onenote. Einen guten Blogbeitrag dazu lest Ihr bei To Boldly Nerd. Meine eigenen Notizen führe ich auf dem Papier. Mit Onenote probiere zurzeit auch herum und es geht. Bislang fehlt der Durchbruch.
Bilder/Handouts: Bilder nutze ich selten. Oft teile ich sie über Google Drive oder auf unserem Discord-Server. In meiner Mazes-&-Minotaurs-Runde bereite ich Screenshots von magischen Gegenständen vor, die den dazugehörigen Regeltext enthalten – allerdings keine Bilder des Fundes.
Sonstiges: Wie angedeutet, benutze ich gelegentlich online Whiteboards für Systeme wie Beyond the Wall, in denen der gemeinsame Weltenbau eine zentrale Rolle spielt.
Was sind für Dich die Vor- bzw. Nachteile des Online-Spiels im Vergleich zum Spiel am Tisch?
Wie geschrieben: Tisch und Online unterscheiden sich, aber ich ziehe keine Variante der anderen vor.
Online vermisse ich den zur Nachbarin geraunten Kommentar oder Gesten, die das Geschehen unterstreichen. Ein bisschen Witzeln gehört für mich dazu. Man teilt sich eine Tonspur und Videofenster sind für so etwas beschränkt. Oft genug stelle ich fest, dass meine Gesten außerhalb des Bildes stattfinden. Auf der anderen Seite beobachte ich online dadurch Disziplin – in der Regel. Es unterbrechen seltener Zweitgespräche das Spiel, die in eine Gruppendiskussion abseits des Themas abdriften.
Allerdings ärgerte ich mich in reine Audiorunden schon mehrmals über bislang unbekannte Spielerinnen, für die die Tonspur anscheinend Grund ist, die Runde zur Nebentätigkeit herabzustufen. Wenn das Kind Aufmerksamkeit verlangt und Ähnliches, dann habe ich dafür Verständnis. Ebenso in Ordnung finde ich am Tisch, aufs Smartphone oder ins Regelwerk zu schauen, während andere Heldinnen im Spotlight stehen. In der Zeit auf Toilette gehen – auch fein. Schreibt online kurz in den Chat, damit die Runde informiert ist. Wenn ich mich bei meinen Beschreibungen ständig wiederholen muss, weil die Aufmerksamkeit überwiegend woanders ist: Da endet mein Verständnis. Das ist respektlos.
Bitte spielt auch online so, dass Ihr das Wesentliche mitbekommt.
Am Tisch fallen mir Hilfestellungen für neue Spielerinnen leichter.
Frage am Tisch: „Was muss ich jetzt würfeln?“
Antwort und Geste auf den Charakterbogen: „Diesen Würfel und dann addierst Du das hier dazu!“
Online fällt dafür eine umständlichere Erklärung an. Mit Geduld gelingt es selbstverständlich.
Gleiches gilt für technischen Support. Wenn die Technik gar nicht läuft, dann stoßen wir an Grenzen unserer Erklärungen.
Anekdote: Ein Spieler vergaß kürzlich, dass er gemutet war. Da er häufiger zeitweise schweigt und die dunkle Umgebung seine Mimik verdeckt hat, fiel das auch erst der zweiten Hälfte der Sitzung auf. Nein T., wir ignorieren Dich natürlich nicht. Trotzdem:
Schaltet Euch stumm. Niemand freut sich über knusprige Chips, wenn sie direkt ins Ohr gehen.
Ein großer Vorteil online entfaltet sich letztlich in der fehlenden Anreise: eine Kampagne als Münchner mit Hamburgerinnen? Läuft. Werktags haben alle ein Stündchen länger Zeit, weil der Fahrtweg hinterher entfällt? Check…
Spielst Du online anders als offline, soll heißen: Stellst Du in Deiner Spielweise online zu offline Unterschiede fest und wenn ja, welche?
Bislang stelle ich nur wenige Unterschiede fest – abgesehen von den genannten Kleinigkeiten. Als Spielleiter setze ich online häufiger Karten ein, weil eher eine digitale Version vorliegt. Die lässt sich dann schnell in Roll20 importieren und schrittweise aufdecken. Am Tisch zählt eine hastige Skizze zu den höchsten meiner Gefühle. Wobei ich auch mit kann, wenn eine andere Spielleiterin am Zuge das übernimmt. Über den Einsatz von Battlemaps ärgere ich mich als Spielleiter hinterher meistens. Die Gründe diskutiere ich an anderer Stelle – vielleicht.
Irgendwann wird die derzeitige Pandemie ja auch mal wieder vorbei sein. Willst Du dann weiter Online-Runden haben oder nur noch am Tisch spielen, und in beiden Fällen: warum?
Ein guter Teil meiner Runden fand schon vor Corona online statt. Gerade Oneshots unter der Woche bieten sich eher an, wenn ich schnell bei Twitter Spielerinnen suchen und niemand einen Spielort bereitstellen muss. Nach der Pandemie erwarte ich also, dass meine Tischrunden wieder ins gewohnte Umfeld zurückziehen und die Online-Runden online bleiben. Aufgrund des unterschiedlichen Charmes und der Chancen, viele neuen Personen kennenzulernen, schätze ich beide Formate.
Die Blog-O-Quest in Kürze:
- An jedem Monatsersten werden fünf Fragen/Lückentexte gestellt. Der Starter wird im rsp-blogs-Forum festgelegt. Wir bitten um Beantwortung auf euren Blogs, Podcasts, Vlogs oder im Forum
- Jeder Monat widmet sich einem Hauptthema, um das sich die Fragen drehen.
- Verlinkt eure Beiträge hier in den Kommentaren und/oder im entsprechenden Forenthread auf rsp-blogs.de.
- Jeder, der sich die Zeit nimmt, die fünf plus ein plus zwei Fragen zu beantworten, ist herzlich willkommen.
- Die „RPG-Blog-O–Quest” Logos dürfen selbstverständlich in Euren Beiträgen benutzt werden.
Vielen Dank für deine so ausführliche Beantwortung der Fragen! Das war wirklich sehr interessant, etwas über die Unterschiede und Nuancen deiner unterschiedlichen Online-Runden zu erfahren. Vielen Dank auch für den Link zum Rollbutler und zur AwwApp – wir selbst nutzen zwar, wenn es schlanker als Roll20 sein soll, gerne Roll for your Party zum Würfeln und Google Presentations zum gemeinsamen Malen, aber Rollbutler und AwwApp sehe ich mir gerne auch mal an.
LikeGefällt 1 Person
Pingback: [Podcast] Meine Mystery-Box (Skorpion und Batterie Show) – Von der Seifenkiste herab
Pingback: [RPG-Blog-O-Quest] Mai 2020: „Online“ – die Antworten | Timber's Diaries