
7te See: Grundregelwerk (© Pegasus Spiele)
Nach einigem Zögern habe ich nach dem Schnellstarter das Grundregelwerk von 7te See (2. Edition) gekauft. Ein Probe-Oneshot mit drei tollen Twitter-Menschen hat zu einem Beitrag auf To Boldly Nerd von Kadomi geführt, die ihre Eindrücke festgehalten hat. Ihre Einschätzung teile ich gänzlich.
Kurzfassung: Das System will Heldengeschichten in schönster Musketier-Tradition erzählen, die die Regeln unterstützen. Aktion und Geschwindigkeit von Filmen wie Der Mann mit der eisernen Maske oder Die Braut des Prinzen kommen im erzählerischen Regelansatz gut zur Geltung.
Als Spielleiter möchte ich dazu noch ein paar Gedanken ergänzen – auch weil außer mir niemand die Regeln kannte und bestimmte Eigenheiten daher im Oneshot ungenannt blieben.
Heldengeschichten
Die Heldengeschichten werden bei der Charaktererschaffung von den Spielern vorbereiten. Sie bestehen aus einem Ziel des Helden und einigen Zwischenzielen, die der Held auf seinem Weg erreichen muss. Ähnlich sind die Spielleitergeschichten organisiert, von denen es mehrere Unterarten gibt. So kann der Spielleiter seine gesamte Kampagne als Geschichte, Episoden und Einzelabenteuer bequem planen.
Dieses System spricht mich sehr an. Das passt sehr gut zu meiner sehr groben Art der Kampagnenplanung. Die Anzahl der erreichten Zwischenschritte dient als Richtlinie für die Erfahrungspunkte beim Erreichen des Ziels, sodass Spieler motiviert sind, eigene Ziele anzustreben. Im Idealfall kann der Spielleiter die Heldengeschichten nutzen, um daraus einfach seine eigene Kampagne zu entwickeln, die die Helden in den Fokus rückt.
Gerade meine Begeisterung für diesen Ansatz macht das System allerdings auch zu einem System, zu dem für mich keine vorgefertigten Abenteuer passen. (Die Teilzeithelden haben verraten, dass Pegasus solche plant.) Bei vorgefertigten Oneshots würde ich die Heldengeschichten einfach weglassen, weil sie ohnehin eher langfristig angelegt sind. Welche Form sich für Kampagnen eignet, muss jeder Spielleiter selbst entscheiden. Andererseits hängt dabei auch viel an der Abenteuer-Aufmachung, auf die ich gespannt bin.
Proben
Weiterhin gibt es bei 7te See natürlich Proben – genauer gibt es unterschiedliche Arten von Proben. Als erster Gehversuch hat das Oneshot nicht den Raum geboten, mit dem Angebot wirklich warm zu werden. Dabei ist die Unterscheidung zwischen Risiken, Aktion- und Dramasequenzen relevant.
Risiken
Die Standardproben werden Risiken genannt. Dabei wird aus einer Eigenschaft und einer Fertigkeit ein Pool aus w10 gebildet. Aus den Würfelergebnissen wird versucht, möglichst oft einen Wert von 10 oder mehr zu bilden. Jede Summe von 10+ ist eine Steigerung. Mindestens eine wird benötigt, um die erfolgreich zu sein. Weiterhin kündigt der Spielleiter vor der Probe Konsequenzen an, beispielsweise Verletzungen, und gelegentlich Chancen, also besondere Vorteile oder positive Seiteneffekte, an. Die Steigerungen können dann außerdem ausgegeben werden, um Konsequenzen zu vermeiden oder Chancen umzusetzen. Allein diese Mechanik ist bereits spannend. Sobald die Steigerungen ausgegeben sind, kann man die Szene erzählen, wie sie sich ergeben hat.
Aktion- und Dramaszenen
Alternativ zu den Risiken können Aktion- oder Dramasequenzen genutzt werden Hier würfeln die Spieler am Anfang einer Szene und geben die Steigerungen im Verlauf der Szene aus. Konsequenzen spielen dabei keine Rolle mehr und Chancen müssen für eine Steigerung von den Spielern geschaffen werden. Aktionsequenzen werden beispielsweise für Kämpfe oder Verfolgungsjagden genutzt. Gesellschaftliche Anlässe können hingegen für eine Dramasequenz sprechen bei der die Reihenfolge nicht relevant ist.
Eine Abwägungssache
Insbesondere die verschiedenen Sequenzen waren mir beim Lesen teilweise unverständlich, ergeben sich allerdings im Spiel recht gut. Das Angebot hat mir während des Oneshots gut gefallen. Die Sequenzen erlauben, unterschiedliche Situationen mit vielen Beteiligten schnell zu lösen, ohne die Erzählung aufzuhalten. Dazu wird das Würfeln an den Anfang geschoben, während im Verlauf nur noch Steigerungen ausgegeben werden müssen, solange der Spieler noch welche hat.
Für jede Konfliktlösung sprechen verschiedene Aspekte. Aktionsequenzen überzeugen bei schnellen Situationen, bei denen die Reihenfolge entscheidet – selbst, wenn viele Personen involviert sind. Dramaszenen eignen sich hingegen für zeitlich ausgedehnte Aktionen, für die mehrere, ähnliche Handlungen notwendig sind. Risiken geben hingegen einer einzelnen Handlung besonders Gewicht.
Als Spielleiter hat man daher einen guten Werkzeugkoffer, um Konflikte stimmungsgerecht zu lösen. Außerdem lassen sich die Konfliktlösung in meinen Augen gut an den eigenen Stil der Gruppe anpassen. Dafür muss man lediglich entscheiden, welche Konfliktlösung man wann einsetzen möchte und insbesondere Risiken und Dramasequenzen bieten sich oft an, um verschiedene Schwerpunkte zu setzen.
Intrigen
Zuletzt muss ich mich von den Helden ab- und den Schurken zuwenden. Damit sind allerdings nur die wirklich relevanten Gegenspieler gemeint, während Handlanger nur in Gruppen auftauchen und lediglich ihre Gruppengröße und manchmal eine Spezialisierung aufweisen. Schurken haben immerhin zwei Werte und individuelle Vorteile und Charakterzüge.
Stärke beschreibt dabei ihre physische Macht, also alles, was bleibt, wenn man ihn bewaffnet den Helden entgegenstellt. Hier ist aber ihr Einfluss interessant, der ihren Reichtum, soziale Macht und Position sowie ihre Verbündete usw. repräsentiert. Natürlich kann man einiges einfach beliebig feststellen, hat aber als Spielleiter auch ein interessantes System, wie Schurken ihren Einfluss nutzen.
Die Regeln decken zum Beispiel ab, wie Schurken weitere Verbündete gewinnen – das heißt, wie viel Einfluss sie opfern müssen, um weitere Schurken bestimmter Stärke in ihren Dienst zu bringen. Sehr interessant finde ich die Intrigen. Startet der Schurke eine Intrige, muss der Spielleiter festlegen, wie viel Einfluss der Schurke investiert, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Ich verstehe die Regeln dahingegen, dass die meisten Intrigen die Wege der Helden kreuzen. Wenn sie sein Ziel vereiteln, dann verliert der Schurke seinen investierten Einfluss. Wenn das Ziel hingegen erreicht wird, steigt sein Einfluss um die investierte Summe.
Interessant finde ich den Einfluss daher als Kennzahl für die Kampagne. Der Spielleiter kann beispielsweise systematisch den investierten Einfluss erhöhen. Wenn die Helden die Intrigen oft verhindern, zeigt das, wie der Schurke immer verzweifelter seinen Zielen nachjagt. Unterschreitet der Einfluss einen vorher festgelegten Wert, dann kann das ein Zeichen sein, dass der Schurke auf die Helden aufmerksam wird und direkt gegen die Helden vorgeht.
Ein steigender Einfluss kann hingegen darstellen, wie weit der Gesamtplan des Schurken bereits fortgeschritten ist. Steigt der Einfluss über einen bestimmten Wert, kann das symbolisieren, dass der Schurke bereits so erfolgreich war, dass es nicht mehr darum geht ihn aufzuhalten. Vielmehr könnte es bedeuten, dass die Helden jetzt proaktiv werden müssen, um den Schurken zu überwinden.
Darüber hinaus gibt es natürlich noch viele andere interessante Einsatzmöglichkeiten.
Fazit

© Pegasus Spiele
Zusammengefasst halte ich die Regeln von 7te See für sehr gelungen. Helden können von Anfang an einiges Bewegen und die Regeln unterstützten das Genre stimmig – In meinen Augen sind sie sogar mehr mit dem Genre als dem Setting verwoben. Allerdings glaube ich, dass man sich etwas auf die Regeln einlassen und Zeit nehmen muss. Die Zeit braucht es, um das volle Potential der Regeln auszunutzen und das Gleichgewicht für die eigenen Bedürfnisse zu finden.
Was 7te See nicht bietet, sind Regeln, die Detailtiefe ermöglichen. Die Orientierung liegt klar auf der Erzählung. Es gibt zum Beispiel keine Ausrüstungsregeln. Lediglich besondere Gegenstand mit eigener Geschichte und spezieller Bedeutung für den Helden haben ein paar Regeln, die allerdings wenig mit den üblichen Ausrüstungswerten gemein haben. Positiv würde ich zum Beispiel nennen, dass die genauen Eigenschaften von Schiffen beispielsweise auf Basis der Herkunft und Geschichte des Schiffs bestimmt.
Wer eigene Erfahrungen, Ergänzungen oder Anmerkungen hat, kann sie gerne in die Kommentare schreiben oder mir auf Twitter schreiben. Auf den Austausch freue ich mich.
Schöner Beitrag. Ich denke, dass vorgefertigte Abenteuer auch bei 7te See eine Ideenschmiede sein können, die man ggf. für seine eigene Kampagne anpasst. So gehe ich gerne in meiner Numenera-Runde vor. Wobei das daran liegen mag, dass das Schreiben von Abenteuern meine Achilles-Ferse ist.
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Klar, aber das können auch Filme, Bücher und Comics. In meinen Augen nutzt man vorgefertigte Abenteuer nicht mehr als vorgefertigte Abenteuer, wenn man sie „nur“ als Indeenschmiede verwendet – Auch wenn das natürlich legitim ist. ; – )
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Ich hab zwar schon einige Monate meine Fassung des Regelwerks daheim liegen, dank dem Kickstarter, aber ich habe mich noch nicht so wirklich rangetraut. Gerade auch weil ich mir nicht sicher bin, was ich bei 7te See lieber sein möchte, SL oder Spieler.
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Hehe, das Problem habe ich selten. Es gibt für mich eine eindeutig bevorzugte Seite des Spielleiterschirms. ; )
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Bei mir ist das tatsächlich abhängig vom System/der Kampagnenwelt. Beispielsweise L5R würde ich mir als SL aktuell nicht zu trauen, weil ich von meinen bisherigen versuchen ein feudales Japan/Asien wiederzugeben nicht überzeugt bin, während ich bei 7te See mir im unklaren bin ob ich wirklich die Regeln für Szenen und Co. richtig umsetzen würde. Bei Ersterem ist eher die Welt das Problem beim Zweiten das Regelsystem.
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Ich glaube nicht, dass die Regeln bei 7te See ein Problem sind. Empfehle Dir, es einfach einmal auszuprobieren. Meiner Erfahrung nach gibt es da auch immer viel Spielraum, wie man das genau macht. Das fand ich ziemlich cool. Wenn Du für eine Online-Runde offen bist, kann ich ab August vielleicht einmal eine anbieten. : )
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Wenn der Tag passt, gerne.
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