Ich mag das Horror-Rollenspiel Dread, das der System Matters Verlag übrigens auf Deutsch bringt. In meinen Augen unterstützt der tödliche Jenga-Turm den Adrenalin-Trip am Tisch perfekt, was es zu einem lohnenswerten Oneshot-System macht.
Für ein Oneshot habe ich einen Charakter gebaut, den ich hier teilen möchte, damit er nach einer Runde nicht in der Schublade verschwinden. Ich hoffe, dass Nathan Spencer noch als Inspiration dienen kann – nachdem die Spielleiterin ihre Begeisterung für den Charakter mehrmals ausgedrückt hat, begeistert er vielleicht noch andere.
Wer Dread nicht kennt …
Dread wird mit einem Jenga-Turm gespielt – dieser Holzturm, aus dem man Steine ziehen und obendrauf legen muss, ohne den Turm umzustoßen. Bei Dread werden Proben dadurch abgehandelt, dass man je nach Schwierigkeit der Probe einen bis drei Steine aus einem Turm ziehen muss. Stürzt der Turm dabei ein, stirbt der Charakter, wird wahnsinnig oder wird anderweitig nicht mehr spielbar. Mir taugt das, auch wenn es manche vielleicht abschrecken mag, dass Spielerkönnen über den Charaktererfolg entscheidet.
Charaktere haben keine Werte: Stattdessen bereitet der Spielleiter für die Charaktererschaffung Fragen vor, die die Spieler beantworten müssen. Informationen zu Berufen, Hobbies, Schwächen und ähnliches helfen dem Spielleiter anschließend, die persönliche Schwierigkeit einer Probe für den Charakter einzuschätzen. Außerdem können dadurch Abenteueraufhänger, Handlungskonflikte usw. abgefragt und in das Abenteuer eingewoben werden.
Aber jetzt zum Interview mit Nathan Spencer, Privatdetektiv und Dread-Charakter.
Wie heißt du?
Ich darf mich vorstellen? Nathan Spencer, sie kennen mich vielleicht aus der Times? Die Sache mit Mr. Andrews letztes Jahr? Der verschwundene Bankier? Nein? Dann nennen Sie mich bitte Mr. Spencer, Privatdetektiv. Hier meine Karte.
Wie siehst du aus? / Wie wirkst du auf andere?
Was interessiert mich das Gerede dieser geschmacksressistenten Londoner? Diese humorlosen Banausen würden mich wohl ins Zuchthaus stecken, weil sie meinen moosgrünen Anzug kaum von einem Kohlensack unterscheiden können. Stil, meine Freundin, Stil würden sie nicht einmal erkennen, wenn er ihnen ihre albernen Hüte vom Kopf stupsen würde. Sehen sie sich meine Locken an. Und jetzt diese von Hüten zerdrückten Frisuren der Londoner. Sitzt meine Fliege gerade?
Wie verdienst du deinen Lebensunterhalt? / Wie kommst du über die Runden?
Ich bin DER Privatdetektiv der hohen Gesellschaft. Wer sich nicht meine Dienste leistet, leistet sich keine Qualität. Dazu lebe ich von einer kleinen Privatrente, die mir Mr. Andrews für meine Hilfe zukommen lässt und schreibe die beliebte, kriminologische Kolumne Spencers Clue für die Times am Dienstag. In dieser kommentiere ich aktuelle Fälle, mit denen die feine Gesellschaft auf ihren Dinnerparties Nervenkitzel spielt.
Welche Arbeit, Hobbies und Fähigkeiten hast du?
Ich zähle zur gehobenen Gesellschaft Londons und als bester Privatdetektive, der den Namen Holmes zu einer Randnotiz der Literaturgeschichte verdammt. Daneben arbeite ich an meiner Karriere als Dramaturg, auch wenn mir die verdiente Anerkennung bislang vorenthalten wird. Aber sobald mein Manuskript überarbeitet wurde, werde ich es erneut einreichen und sicherlich wird man mir nach der gesellschaftlichen Anerkennung im letzten Jahr endlich die Aufmerksamkeit zukommen lassen, die mein Werk verdient. Darüber hinaus vervollständige ich meine Sammlung irischer Volksweisen und Dichtungen.
Was ist die Hoffnung oder der Glaube, der dich am Leben erhält?
Hoffnung und Glaube ist nichts für mich. Ich lebe von meinem Wissen. Meinem Wissen, dass mein Durchbruch in der Theaterwelt nur noch eine Frage der Zeit ist – Eine Frage, der ich mein Leben gewidmet habe.
Was gibt die Mut und Kraft, schwierige Aufgaben zu meistern?
Das Ziel vor Augen kann ich gar nicht verzagen. Mein Ruhm am Theater ist nur noch eine Frage der Zeit und bis meine Zeit gekommen ist, stehe ich alles durch. Notfalls mit einem Brandy.
Wer ist die wichtigste Person in deinem Leben, für die du alles tun würdest? Und warum?
Ich soll eine Person nennen, für die ich alles tun würde? Nun, da wäre dieser nette, irische Junge Killian O’Nail. Eine tragische Person, die nach dem Tod ihrer Mutter und dem Verschwinden des alkoholkranken Vaters mit den letzten Resten des Familienvermögens von der grünen Insel nach London gezogen ist, um hier ihr Glück zu finden. Eine missverstandene Gestalt, die hier unter falschem Namen in der oberen Gesellschaft lebt, die ihn verachten würde, würde sie seine einfache, wenn auch nicht unwohlhabende Familiengeschichte kennen.
Sie haben von O’Nail noch nie gehört? Nun, ich sagte doch, er lebt heute hier unter falschen Namen in London. Sitzt mein rotes Haar gut? Ich könnte schwören, hier gibt sich eine Strähne widerspenstig.
Worauf bist du besonders stolz? Weiß jemand davon, wenn ja, wer?
Nur die Wenigsten schaffen es, mit einem besseren Notgroschen nach London zu kommen und rasch in der Gesellschaft aufzusteigen. Nachdem der Erfolg am Theater ausblieb, wo meine Stücke abgelehnt und meine schauspielerischen Fähigkeiten in Zweifel gezogen wurden, ist es mir gelungen lange Zeit aus den Taschen reicher Herren zu leben, die mich für die Dauer meiner „Ermittlungen“ großzügig mit Spesen bedacht haben.
Keine schauspielerischen Fähigkeiten? Ich bitte sie meine Liebe, wie hätte ich sie ansonsten so lange an der Nase herumführen können, wo mir doch jegliche kriminologische Kenntnis fehlt? Ich spekuliere seit fast einem Jahr in der Times über Fälle, von denen ich zuvor nie gehört habe. Wie hätte ich das ohne Talent geschafft? Aber bitte schreiben sie das doch nicht mit …
Für was bist du bekannt, was du aber nie getan hast? Wer weiß davon und wer glaubst du, hat das Gerücht gestreut?
Ich bin im letzten Jahr für meinen detektivischen Spürsinn bekannt geworden, als ich den reichen Bankier Mr. Andrew nahezu ohne Anhaltspunkte aus den Händen seiner Entführer gerettet habe. Davon weiß allerdings nur Mr. Andrew. Vielleicht könnten mich einige Arbeiter an den Docks wiedererkennen, die gesehen haben, wie ich Mr. Andrew beim Opiumkonsum gefunden, verfolgt und letztlich in den Armen eines netten Herren gesichtet habe, dem er einige sehr wunderbare Briefe geschrieben hat.
Ich brauche keine Spekulation, um zu wissen, dass die Gerüchte über meine Leistung Mr. Andrew nur zu bereitwillig gestreut hat. Seine Ehe, Kinder und Karriere würden doch sehr darunter leiden, sollten die verschwundenen Beweise seiner geheimen Beziehung plötzlich auftauchen. Nein, schreiben sie das lieber auch nicht mit.
Was ist die größte Sorge, die dich herumtreibt?
Bislang hat noch niemand danach gefragt. Aber es wäre mir wohl unrecht, würde Mr. Andrew plötzlich danach fragen, wieso ich ihn mehre Tage auf seinem Absturz durch die Opiumhölle bis in die Arme seines Geliebten gefolgt bin. Es käme meinem aufgehenden Stern in der Londoner Gesellschaft ungelegen, sollte jemand herausfinden, dass ich zu jener Zeit den dringenden Verdacht hegte, von meiner damaligen Liebe betrogen zu werden. Es war Zufall, dass der gute Benjamin Talley mich mit diesem Bankier betrogen und ich aus dem Bruch unserer vermeintlich innigen Bindung zu meinem Vorteil herausging. Ah, sehr schön. Ihr Stift ist nicht einmal zum Papier gewandert. Ich wusste, dass ich mich auf sie verlassen kann.
Wovor hattest du als Kind Angst? Konntest du diese Angst überwinden? Wenn ja wie, wenn nein, wie zeigt sie sich heute?
Als Kind hatte ich stets Angst, irgendwie anders zu sein. Irgendwie schien ich stets anders zu sein, als die anderen Jungs. Damals entschied ich mich, mich normal zu geben. Heute weiß ich, dass es ganz normal ist, nicht normal zu sein und lebe diese Extravaganz aus. Der Gedanke in eine normale Rolle zurückzufallen, erschreckt mich.
Für welche Tat schämst du dich so sehr, dass du sie niemandem erzählt hast?
Das kann ich Ihnen an dieser Stelle wohl kaum verraten, werte Freundin. Aber es gehen Gerüchten um, jemand habe vor einigen Tagen einigen der netten Arbeitern, die morgens Arbeit suchen, einige Pfund bezahlt, damit sie sich einen Jungen in meiner Straße einmal zur Brust nehmen.
Ein vorlauter Nachbarsjunge war längere Zeit extrem aufdringlich und nervig – jetzt nicht mehr. Was hast du getan?
Getan? Ich habe gar nichts getan! Hören sie, im Morgans gibt es einige Bedienungen, die ihnen schwören können, dass ich zur besagten Zeit zu Frühstück gegessen habe. Ich bin mir sicher, sie erinnern sich. Das Ei war halb roh und der Dotter hat mir fast meinen Anzug verdorben. Das habe ich selbstverständlich entsprechend reklamiert und Beschwerde eingereicht. Was? Sie haben gar nicht danach gefragt, was ich getan habe, als wildfremde, mir unbekannte Arbeiter den Nachbarsjungen bedrängt haben? Könnten sie vielleicht die Frage noch einmal wiederholen?
Hast du am Tisch denn auch einen Moosgrünen Anzug an?
Für unsere VietnamRunde hatten wir Tarnschminke im.Gesicht, beim Bamküberfall Eishockeymasken, sehr immersiv
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Nein, dazu fehlt mir leider der passende Anzug. Wenn es passt, nehme ich gerne mal ein passendes Prop mit, aber richtig „verkleiden“ ist bei mir in der Regel dann doch nicht drin.
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