Am häufigsten werde ich von meinem Rollenspielhobby damit überrascht, wer sich absichtlich oder beiläufig als Rollenspieler zu erkennen gibt. Comicblogger Leander A. Taubner ist nicht nur Rollenspieler, sondern auch Rollenspielautor, Rollenspiel-Kickstarer und vieles mehr. Sein MAGUN RPG verspricht eine mystische Geisterwelt, freie Magie und stufenlose Charakterklassen mit garantierten Nischen. Gute Gründe einmal mit Leander über sein Rollenspielprojekt zu sprechen und ihm genauer auf den Zahn zu fühlen.
Hallo Leander, ich habe Dich über Deine Webcomics und Twitter kennengelernt. Plötzlich lese ich, dass Du Rollenspieler und Rollenspielautor bist. Um das zu Beginn klarzustellen: Wer bist Du und wie viele noch?
Ich bin 33 Jahre, ein freischaffender Illustrator und studierter Kommunikationsdesigner. Ich lebe mit meiner kleinen Familie in der schönen Stadt Marburg und spiele in meiner wenigen Freizeit – wer hat’s gedacht – gerne P&P Rollenspiele. Dazu betreibe ich einen, wie von Dir schon erwähnten, Comicblog Leanders feine Linie, in dem ich dezent übertrieben aus meinem Leben erzähle und bastel immer mal wieder an eigenen kleinen Spielen oder halt an was größerem, wie MAGUN … WENN ich nicht versuche zu zeichnen oder meine beiden Kinder auf mir rumspringen.
Kannst Du den Rollenspieler Leander einordnen? Was begeistert ihn am Rollenspiel und welche Rollenspiele gehören zu ihm?
Uff, wo fange ich da an. Neben meiner schon sehr frühen, deutlichen Affinität zu phantastischen Geschichten in Fantasy- und Sci-Fi-Welten und dem Spaß am Zeichnen und planen solcher Welten, fing es damit an, dass mir ein Freund von LARP erzählte. Wir bastelten schäbige Schwerter aus Rohrisolierung und machten bei zwei sehr erbärmlichen kleinen LARPs mit. Die Szene war damals in unserer Nähe kaum vorhanden.
Durch einen weiteren Freund bin ich dann zu AD&D gekommen und spielte einen Paladin. Ich begann intensiver zu LARPen (Orkschamane) und es folgten DSA, Midgard und das Warhammer P&P. Bald schon war ich bei Shadowrun angekommen, entdeckte Vampire, dann Vampire Live, Wechselbalg, Scion, Exalted, Traveller und Mage.
Jedes dieser Rollenspiele hat mich beeinflusst. Und jedes dieser Spiele hatte Ideen, die ich mochte und welche, die ich schrecklich fand. Ich spielte einige wenige Abende selbstgebastelte Spiele von Freunden und fing schon vor meinem Abitur an, selber Rollenspiele zu schreiben. Ich versuchte mich erst an einem Sci-Fi-Setting und begann dann aber auch schon recht früh mit MAGUN.
Was mich an Rollenspielen reizt, ist letztlich das „auf etwas Unerwartetes reagieren müssen“, kombiniert mit dem Austesten von unterschiedlichsten Charakterzügen. Zwei verschiedene Charaktere könnten vollkommen unterschiedlich auf eine Situation reagieren und dieses „Erforschen“ eines Charakters macht für mich den Reiz von Rollenspiel aus.
Mit der #MagunQuest lässt Du Deine Twitterfollower als Crowd ein Rollenspiel spielen. Davor kam die #FeineQuest. Kannst Du die Quest kurz vorstellen und wie es dazu kam?
Ich saß auf meinem Bett. Meine Frau spielte gerade Dragon Age und ich zeichnete ein wenig auf meinem Tablet. Ich wollte IRGENDWAS tweeten und dachte mir, nutz doch mal diese Umfragefunktion – und schrieb einen völlig aus der Luft gegriffenen Einleitungssatz. Ich gab den Spielern einige Auswahlmöglichkeiten und setzte Emojis als Lebenspunktanzeige, Ausrüstung und Gemütszustand. Ich muss zugeben, erst nachdem die ersten Stimmen kamen wurde mir klar, was ich da gerade angefangen hatte. Meine Follower machten freudig mit und ich zeichnete fast jeden Abend ein kleines Bild und gab neue Auswahlmöglichkeiten.
Ich meistere in meinen Gruppen primär, und wahrscheinlich habe ich das Ganze gemacht, weil ich derzeit mal zur Abwechslung nicht meistere, sondern einfach „nur“ Spieler bin. Nachdem die #FeineQuest fertig war, und meine Leserschaft wirklich Spaß daran hatte, plante ich schon die zweite Staffel. (Ich sollte hier vielleicht einwerfen: „Planen“ bedeutet bei diesen Quests, dass ich das erste Bild plane. Die Geschichte denke ich mir nach jeder Abstimmung weiter aus.)
Da aber gleichzeitig meine selbst gesetzte Deadline für die Veröffentlichung von MAGUN näherrückte, dachte ich mir, warum nicht die #FeineQuest für MAGUN nutzen und eine #MagunQuest machen. Dadurch kann ich einen Hauch vom Setting meiner Welt zeigen, und die Leute können schon ohne Regelwerk die Welt ein wenig selber erleben. Die #MagunQuest kann man auch ohne Twitteraccount verfolgen.
(#MagunQuest bei Twitter und ohne Twitter und zum Nachlesen)
Die Idee klingt gut. Was macht für Dich den Reiz dieser Aktionen aus? Wie würdest Du die Beteiligung und Reaktionen einschätzen?
Etwas mehr als 10% meiner Follower machen aktiv mit. Das ist deutlich mehr als bei so manch anderen Aktionen oder Aufrufen, die in der Regel nur 1-3% Aktivität haben, was mich sehr freut. Und meine Follower schreiben drum herum, und haben schon eigene kleine Insider entwickelt. Das macht sehr viel Spaß, und am liebsten würde ich mit allen spontan eine MAGUN-Runde spielen.
Ich finde es toll, dass die Spieler auch Spaß haben, wenn nicht ihre Entscheidung gewinnt, und ich mag an der #MagunQuest das Gleiche, das ich auch am Spielleiten so sehr schätze: das Unerwartete. Kein Plot überlebt den ersten Kontakt mit den Spielern.
Als ich angefangen habe, Spiele zu leiten, habe ich noch jeden Raum ausdefiniert, jedes Objekt ausgearbeitet und zig Seiten aufgeschrieben. Meine Kampagnen, die über 12 bis 16 Spieleabende ausfüllen, sind inzwischen nicht länger als 2 A4 Seiten, und beinhalten nur Eckdaten und Namen. Die Story habe ich grob im Kopf, ich bastel mir eine Timeline, die abläuft, egal was die SpielerInnen machen, und los gehts.
Ich mag es, auf die SpielerInnen reagieren zu müssen. Und ich liebe es, wenn sie meinen Plot durchschauen oder einen Plan von mir durch eine großartige Idee aushebeln, oder einen Abend durch eine großartig gespielte Szene zu füllen und mein Plot kleinlaut in der Ecke warten muss, nur um dann am nächsten Abend zu erleben, wie die SpielerInnen sich an meinem Plot die Zähne ausbeißen, oder bei einem Gegner ins Schwitzen kommen. Ich mag es zu sehen wie die Leute auf etwas reagieren, das man sich vorher kleinteilig überlegt hat. Und ich liebe die Herausforderung, aus unerwarteten Wendungen wieder einen Schwenk zurück zum “gewünschten” Plot zu finden, der die Geschichte vorantreibt und das Erlebnis der SpielerInnen fördert.
Ich plane auch bei der #MagunQuest nur grob drum herum. Was machen die wichtigen NSCs und wann? Die Optionen für die Spieler entscheide ich immer erst am Abend, an dem ich die Zeichnung fertig mache. Das ist ein zusätzlicher Reiz.
Die #FeineQuest spielte in einem gewöhnlichen Fantasy-Setting, aber für die zweite Staffel hast Du Dein eigenes Rollenspielsetting MAGUN gewählt. Was macht die Welt Deines Rollenspiels besonders?
Ich muss zugeben, ich finde es inzwischen schwierig, von „gewöhnlichen“ und „nicht gewöhnlichen“ Fantasyspielen zu sprechen. „Gewöhnlich“ ist für mich dann vielleicht das stark auf die Klassiker und Tolkien Basierende, und das Highfantasy des Videospielmainstreams: Ritter, Zwerge, Orks und Elfen kämpfen in stachelbesetzten Rüstungen, mit unhandlichen, „epischen“ Waffen gegen blauwabernde Magier, die in ihren hohen Türmen sitzen und den Erzdämon Nummer 87 herbeirufen wollen. MAGUN ist dann doch sehr anders.
MAGUN hat eine eigenständige Welt, mit eigenen Völkern, die erklärbar zusammen funktionieren. Eine Geisterwelt, die spürbar und nah ist, ohne „normal“ für die Welt zu sein. Sie bleibt mystisch und unklar. Gewohnte „Klassen“ wie Magier oder Krieger habe ich versucht, eine wenig anders zu interpretieren und dementsprechend haben diese sich regeltechnisch von anderen Systemen entfernt, und sind damit etwas Neuartiges geworden.
Ein wenig Mystik und Neuinterpretationen finde ich interessant. Wie spiegeln die Regeln die Welt von MAGUN wider und wie worauf basieren sie?
Das Raue an der Welt wird durch mein Kampfsystem gut dargestellt. Die Geisterwelt und der Aufbau der Welt durch die Regeln für die geistige Reinheit der gespielten Charaktere. Das mystische, aber auch praktische, auf dem die Welt basiert kommt in meinem Magiesystem zum Tragen.
Das System ist zwar klassisch aufgebaut, erlaubt aber mehr spürbare Nähe zum eigenen Charakter. Ich habe versucht, nicht allzu abstrakte Werte zu entwickeln, die es erlauben, sich seine Aktionen leichter vorstellen zu können. Das macht das System zwar zugegebenermaßen etwas kleinteilig, aber ich glaube fest daran, dass es für alte Hasen UND für Neueinsteiger in die P&P-Rollenspielwelt funktioniert.
Der Kampf ist relativ kleinteilig, aber schnell und intensiv. Magie ist mächtig, nimmt anderen Charakteren aber nicht die Arbeit weg – etwas, das mich in anderen Systemen immer gestört hat. Eine Kriegerin kann Dinge lernen, die ein Magier nie lernen kann.
Ich habe keine Charakterklassen und ein stufenloses Steigerungsystem. Zudem verbessern sich in meinem System Werte durch die Anwendung im Spiel. Ich habe zwar ein Äquivalent zu Erfahrungspunkten, man kann MAGUN allerdings auch komplett ohne diese spielen und die Charaktere würden dennoch Neues lernen und besser werden.
In MAGUN verzichte ich auf Telling-Regeln, also auf Regeln, die mein Verhalten als Charakter zu stark bestimmen. Das ist für mich immer eine Rollenspielsache, und keine Regelsache. Meine Magie kennt keine Magiepunkte oder Begrenzungen an Zaubern. Ich habe keine Lebenspunkte im klassischen Sinne und mein System fragt bei Anwendungen von Fertigkeiten eher nach dem „Wann und wie gut gelingt es“ statt dem „Ob“.
MAGUN soll über ein Crowdfunding realisiert werden. Was worauf können sich die Teilnehmer einstellen?
Vier Wochen Anspannung auf meiner Seite.
Aber im Ernst – natürlich die Möglichkeit, das Regelwerk als PDF oder gedrucktes Buch zu erhalten. Außerdem wird es ein „Starterrundenpaket“ geben, das alles beinhaltet, um sofort loslegen zu können und die Möglichkeit, einen Abend von mir meistern zu lassen – und wer es ganz persönlich möchte, kann ein vollständig personalisiertes Unikat des Regelwerks bekommen.
Crowdfunding ist mit Risiken für Dich und die Teilnehmer verbunden: Projektausfall, permanente Verzögerung … Wie weit ist MAGUN bereits gereift und was ist Deine Zeitplanung?
Für mich gab es nur das geringe Risiko, es nicht finanziert zu bekommen und damit mein bereits investiertes Geld und vor allem die viele, viele Zeit und Herzblut der letzten Jahre nicht zurück bzw. gewürdigt zu bekommen – eine Angst, die sich keine 24 Stunden nach Start des Kickstarters als unbegründet herausgestellt hat. Wir sind bereits finanziert – auch hier nochmal vielen Dank an meine Unterstützer!
Das Kickstarter zu MAGUN ist bereits am 1. September gestartet und endet Ende September. Wir haben die Finanzierung nach nur 17 Stunden geschafft und ich arbeite gerade an Stretchgoals. Man kann weitere Informationen auf der offiziellen Homepage oder bei Kickstarter selbst finden.
Für die Unterstützer des Projektes gibt es tatsächlich Null Risiko, da es mir wichtig war, ihnen garantieren zu können, dass sie nicht mehrere Monate auf ihr Regelwerk warten müssen.
MAGUN ist fertig. Es wird nur noch fertig korrekturgelesen und muss noch einmal etwas sauberer gesetzt werde, da sich durch Korrekturen teilweise das Layout verändert. Aber das war’s. Ich habe bereits eine Druckerei, alle Bilder sind gezeichnet und im Layout eingebaut. Die Regeln werden nur noch marginal überarbeitet, und zwar dann, wenn etwas bei den Korrekturen auffällt.
Ich habe mir fest vorgenommen, das Regelwerk ab der SPIEL im Oktober zu verkaufen. Alle Unterstützer sollten bis spätestens Ende des Jahres ihr Buch in den Händen halten – mit eventuellen Verzögerungen bei den personalisierten Büchern, das sind dann aber individuelle Absprachen.
Das klingt nach einer Ansage. Vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für das Interview genommen hast. Ich wünsche Dir viel Erfolg bei der Kampagne und bin auf das Ergebnis gespannt.
Bildnachweis:
Alle Bilder zu diesem Artikel wurden mir von Leander Aurel Taubner für diesen Artikel freundlich zur Verfügung gestellt und zeigen Illustrationen zum MAGUN-Rollenspiel und den Autor und Künstler.
Das MAGUN-Logo ist eine eingetragene Wort-Bild-Marke, Registernummer 30 2014 011 274, Deutsches Marken- und Patentamt. Das GRADGAR-Logo ist eine eingetragene Wort-Bild-Marke, Registernummer 30 2015 002 657, Deutsches Marken- und Patentamt.
Herausgeber: GRADGAR® | Leander Aurel Taubner, Carl-Strehl-Straße 4, 35039 Marburg
Weiterführende Links
Eine Übersicht über die #FeineQuest, Staffel 1 und Vorläufer der #MagunQuest gibt es hier.
Das Kickstarter-Profil von Leander findet man hier.
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