Das Ein Würfel System (EWS) verspricht einfache und saubere Universalregeln. Beim Lesen war ich von der freien Charaktererstellung angetan, die sich von vorgegebenen Attributen und Fähigkeiten trennt, aber dennoch klassisch anmutet.
Würfeln mit ±1w6
Gewürfelt wird Fertigkeit / Beruf / Hintergrund zuzüglich Boni aus Eigenschaften der Charaktere und ±1w6. Die Besonderheit des Würfels ist, dass gerade Werte zum Basiswert addiert und ungerade Werte subtrahiert werden.
Das Ergebnis wird mit einem Mindestwurf verglichen. Der Mindestwurf ist ein Vielfaches von drei. Den Werten sind Beschreibungen von Routine bis heikle zugeordnet, sodass die Auswahl der Schwierigkeit für den Spielleiter einfach ist. Treten zwei Charaktere gegeneinander an, werden die Ergebnisse miteinander verglichen.
Um die erreichten Werte einordnen zu können, gibt es eine Erfolgsleiter. Diese ordnen den Zahlen qualitative Beschreibungen von armselig bis überragend zu. Besonders bei vergleichenden Würfen im Kampf regen diese die Beschreibung an. Die gleiche Tabelle kann genutzt werden, um die Charakterwerte qualitativ einzuordnen.
System-Modularität
Das EWS bietet in den Grundregeln einen Grundmechanismus und den Umgang mit Charakteren. Über Module können die Regeln ergänzt werden, um sie auf das gewünschte Setting anzupassen. Nach den Standardregeln werden Kämpfe beispielsweise mit einem vergleichenden Wurf abgehandelt. Wer ein erweitertes Kampfsystem wünscht, der kann sich am bestehenden Kampffokus-Modul bedienen.
Die Idee dahinter mag ich. Allerdings bieten die Standardregeln keine Magie. Bei einem Universalsystem fällt mir das negativ ins Auge. Es gibt ein Modul für Magie in Oneshots und für das Setting Technophob gibt es Psi-Kräfte. Bisher stört es mich, dass ich für Kampagnen noch keine stabilen Magieregeln gefunden habe.
Auch mit den Modulen bleiben die Regeln einfach. Für meine Testrunde habe ich mehrere Module verwendet, darunter das erweiterte Kampfmodul und ein Modul für kritische Erfolge und Patzer. Als Spielleiter fiel es auch nicht schwer, auf Spielerideen zu reagieren. Durch die klare Zuordnung von Werten und qualitativen Aussagen können Konflikte schnell im Spiel mit Mindestwürfen beziffert werden.
Um Gegner passend zu skalieren, gibt es einen ausführlichen Leitfaden von Arne, der das System hauptsächlich voran bringt. (Vielen Dank noch einmal dafür. Die Tipps findet man hier.)
Charakterbeschreibungen
Ziel des EWS ist, auf dem Charakterbogen festzuhalten, was den Charakter einzigartig macht und von anderen unterscheidet. Dazu gibt es Eigenschaften, Fertigkeiten, Berufe/Hintergründe und Merkmale.
Dabei beschreiben Eigenschaften angeborene Besonderheiten, wie Körperkraft oder Geschicklichkeit. Fertigkeiten hingegen erfassen erlerntes Können. Hintergrunde und Berufe umfassen eine Gruppe zusammenhängender Fertigkeiten, die der Charakter durch sein bisheriges Leben oder Ausbildung erworben hat. Merkmale runden den Charakter mit Besonderheiten wie seiner Lieblingswaffe, Vor- und Nachteilen ab.
Um von den Charakteren schnell ein Bild zu bekommen, gibt es keine vorgeschrieben Namen für Eigenschaften, Fertigkeiten und Co. Die Spieler vergeben selbst sprechende Namen, wie „verführerische Stimme“ statt „Charisma“ oder „Gesang“.
Charakterwerte
Die Charaktererschaffung ist schnell und einfach. Der Spieler überlegt sich ein Konzept und beschreibt dann, welche Eigenschaften, Fertigkeiten, Berufe usw. der Charakter haben soll. Dafür stehen Punkte zur Verfügung, für die Boni gekauft werden können. Weitere Punkte erhält man durch selbstgewählte Mali.
Mir gefällt es als Spielleiter, ein Bild von den Charakteren zu bekommen, ohne viel Hintergrund lesen zu müssen. Das unterstützt das EWS. Bei den Testspielern hat sich herausgestellt, dass das manchmal einfacher klingt als es ist. Die freie Beschreibung der Eigenschaften und Fertigkeiten fiel manchen Spielern trotz den gegebenen Beispiele eher schwer.
Das Grundregelwerk
Das Grundregelwerk ist als PDF kostenlos verfügbar und gedruckt als Print on Demand verfügbar. Es enthält auch Regeln für Steigerung und den Kampffokus, sodass man alles außer Magie hat, um loszulegen. Positiv ist auch, dass Fudge- und GURPS-Vor- und Nachteile in ihren EWS-Wert umgerechnet werden.
Weniger hat mir die Einteilung des Regelwerks getaugt, die ich verwirrend empfand. Bei den Charakterwerten und ihren Unterteilungen hatte ich den Eindruck, dass sie sich wiederholen und ich musste gelegentlich blättern, um die Informationen zusammenzusuchen.
Vermutlich ist das nicht schlimmer als bei anderen Rollenspielen, fällt wegen der Wenigen Seiten aber mehr auf. Die Illustrationen und Gestaltungselemente sind vollfarbig, sodass das Blättern insgesamt auch Spaß machen kann.
Abspann
In meiner Testrunde habe ich ein Fantasy-Abenteuer geleitet. Die Regeln liefen nach den anfänglichen Schwierigkeiten bei der Charaktererschaffung recht flüssig. Magie habe ich darüber gelöst, sie als recht eng spezifisierten Beruf (Feuermagier) zu behandeln, sodass es für ein Oneshot in Ordnung war.
Wer selbst einmal hineinschauen kann, kann sich die Regeln herunterladen und auf der Website selbst nach Tipps, Erweiterungen und Szenarien stöbern. Ich mag das Engagement, das hinter dem System steht und für den Gratisrollenspieltag mehrmals das Zettel-RPG hervorgebracht hat, eine reduzierte Variante des EWS’.
Verweise
Wer Fragen hat, kann sich meiner Erfahrung nach an Arne wenden, der beispielsweise auf Twitter erreichbar ist.
Die Bilder zu diesem Beitrag hat mir Arne zur Verfügung gestellt. Sie stammen von Trudy und stehen wie das EWS unter GPLv3-Lizenz.
Danke für dein schönes Review! Ich hoffe, das Testspiel hat euch Spaß gemacht!
Bei der Charaktererschaffung haben wir auch gemerkt, dass sie manchmal etwas holprig läuft. Wobei bei uns v.a. das Überlegen, was man den nun will, die Schwierigkeit war. Bei Technophob liefern wir deswegen für jeden Charaktertyp Vorschläge für alle Werte mit: http://1w6.org/deutsch/technophob — Beispiel: Vorlagen für Ranmex: Clangebundene Fuchsjäger: http://www.1w6.org/deutsch/technophob/vorlagen-ranmex
LikeGefällt 1 Person
Was war bei euch die Schwierigkeit der Charaktererschaffung?
LikeLike
Einfach das umdenken, dass man keine festen Attribute und Fertigkeiten hat, sondern sprechende Eigenschaften selbst wählt.
Ein weiteres Problem, bei dem meine Erklärungen vielleicht verwirrend waren, waren, dass „+“e auf die Eigenschaften und Fertigkeiten verteilt werden und dann in Zahlen umgerechnet. Aus irgendeinem Grund war das auffällig verwirrend. (Wie gesagt, habe ich das vielleicht schlecht erklärt. Einem Spieler hat das irgendwann bereits ein anderer Spieler erklärt.)
LikeGefällt 1 Person
Die Wahl sprechender Eigenschaften ist auch etwas, das unerwartet viel Zeit frisst. Für ein System, das für Welten und Kampagnen möglichst viel Freiraum bieten soll, sehe ich keine Alternative, aber das reine Grundregelwerk verlangt von den Spielenden viel kreative Leistung. Die einzige Lösung, die ich dafür sehe, sind Vorschläge für spezifische Welten, bei denen Beispiele geliefert werden, aus denen man Aussuchen und dann Anpassen kann.
Die „+“e sind nicht nur deine Erklärung. Die Texte dazu im Buch sind auch lange nicht so gut, wie ich sie gerne hätte: Für die Hälfte der Leute, die sie bisher genutzt haben, waren sie sofort eingängig. Für die andere Hälfte total verwirrend. Ich suche seit Jahren nach griffigen und für alle Lesenden direkt verständlichen Formulierungen und probiere in jedem Quellenband wieder etwas Neues aus.
LikeGefällt 1 Person
„unerwartet viel Zeit fressen“ trifft es ganz gut. ^^
Aber ich denke, dass das auch etwas mit Gewöhnung zu tun hat. Für ein einmaliges Oneshot natürlich doof, aber wenn man es häufiger verwendet, dann lohnen sich die Startschwierigkeiten bestimmt.
Es beruhigt mich ungemein, wenn die Schuld nicht alleine bei mir liegt. : D
LikeGefällt 1 Person